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Geschichte

Geschichte

Vor- und Frühgeschichte bis ins Mittelalter

Einzelne Lesefunde und somit der erste archäologische Nachweis von Siedlungsspuren in Ober-Ramstadt existieren vereinzelt durch Steingeräte seit der Altsteinzeit. Erste flächenmäßige Spuren einer Besiedlung finden sich aus der Jungsteinzeit (Linearbandkeramik) um 5.500 v. Chr. Auch die darauf folgenden Epochen lassen sich durch zahlreiche (Be-)Funde belegen. Monumentale Grabanlagen (Hügelgräber) der mittleren Bronzezeit sind in den Stadtwäldern von Ober-Ramstadt nachweisbar. Auch in der Eisenzeit sowie zur Zeit der Römer und der Franken gibt es in Ober-Ramstadt nachweislich mehrere Spuren archäologischer Besiedlungsgeschichte. 1968 wurden bei einer Ausgrabung Reste eines römischen Gutshofes  („Ober der Pfingstweide") entdeckt. Aufgrund des Fundmaterials kann der Gutshof zwischen 160 und 260 n. Chr. datiert werden. Aus dem 2. Viertel des 2. Jahrhunderts n. Chr. zeugen römische Brandgräber von den Bestattungsriten der ansässigen Bevölkerung.


Im Hochmittelalter gehörte Ober-Ramstadt zum königlichen Bannforst Dreieich. Nach dem Aussterben der Grafen von Katzenelnbogen fiel Ober-Ramstadt an den Landgrafen von Hessen.


Erste Namensnennung „Ramstat" 1310

Urkundlich wird Ober-Ramstadt erstmals am 22. Juli 1310 erwähnt, als Graf Eberhardt von Katzenelnbogen für „Ramstat" Stadtrechte erhielt. Die in Frankfurt gesiegelte Urkunde sichert „Ramstat" erstmals „Freiheiten und Rechte“ zu. Schriftlich überliefert ist ein „oppidum suum Ramstat". Die befestigte Siedlung „Ramstat“ konnte demnach regelmäßig einen Wochenmarkt abhalten. Käufer wie Verkäufer dieses Marktes genossen „des Reiches besonderen Schutz und den Vorzug der Marktfreiheit“. Über viele Jahre wurde das Marktrecht genutzt und 1316 erstmals das Centgericht als Rechtsinstitution für Ober-Ramstadt erwähnt.


Frühe Neuzeit

Als ein wichtiger Vorgang für die Geschichte der Stadt Ober-Ramstadt erwies sich 1621 der Tausch von sieben Höfen des Landgrafen gegen kommunales Waldgebiet. Dadurch wurde die Vergabe der Höfe an Lehnsherren unmöglich. Große Bauten des Kleinadels, wie sie in vielen Gemeinden der Umgebung anzutreffen sind, gab es folglich nicht in Ober-Ramstadt. Als im frühen 19. Jahrhundert der Zehnte durch eine Grundsteuer abgelöst wurde, hatten die Einwohner von Ober-Ramstadt nur diese neue Steuer zu zahlen, während in den Gemeinden mit Kleinadel zusätzlich eine große Zahl von Privilegien abgelöst werden musste.

Der 30-jährige Krieg (1618-1648) wütete auch in der Gemarkung Ober-Ramstadt. Durch Krieg, Besatzung und Pest wurde die Bevölkerungsdichte stark dezimiert. Das Ende des 30-jährigen Krieges brachte jedoch nicht den ersehnten Frieden. Die Truppen des französischen „Sonnenkönigs“ verwüsteten die nähere Gegend. Trotzdem bemühte sich die wieder zunehmende Bevölkerung um einen Wiederaufbau.

Errichtung des landgräflichen Eisenhammers im 17. Jahrhundert

1688 wurde in Ober-Ramstadt der landgräfliche Eisenhammer errichtet. Heute ist die in den Jahren 1980-1984 restaurierte Hammermühle mit ihren Nebengebäuden ein Glanzpunkt des Stadtzentrums. Attraktionen sind das große Mühlrad im angrenzenden Hammerbach und die technische Einrichtung im Inneren. Das Denkmalgebäude wird auch heute noch genutzt. Im Scheunensaal der Hammermühle finden unterschiedliche Veranstaltungen statt, von wöchentlichen Übungsstunden der Gesangsvereine bis hin zu Künstler-Ausstellungen sowie kulturellen Vorträgen. 


Das „Alte Rathaus“ - Heute: Museum Ober-Ramstadt

1732 errichtete der hiesige Pfarrer Johann Conrad Lichtenberg, in seiner Freizeit leidenschaftlicher Baumeister, das „Alte Rathaus“. Sein hier geborener jüngster Sohn Georg-Christoph (1742-1799) studierte nach seinem Schulbesuch in Darmstadt an der Universität Göttingen. Zu Lebzeiten war er als Experimentalphysiker weltberühmt. Nach seinem Tod, besonders nach der Veröffentlichung seiner „Sudelbücher“, wurde das Interesse an dem Literaten und Aphoristiker vorrangig.

Heute wird das denkmalgeschützte Gebäude „Alte Rathaus“ als Museum genutzt. Das Museum Ober-Ramstadt zeigt eine biografische Dauerausstellung und sammelt in einer Spezialbibliothek das Schrifttum zu Leben und Werk des Wissenschaftlers. Das Museum wird mit durch den örtlichen Verein für Heimatgeschichte Ober-Ramstadt mit wechselnden Ausstellung betrieben. Die Unterhaltung des Gebäudes fällt in Zuständigkeit der Stadt Ober-Ramstadt.


Statue des Georg-Christoph Lichtenberg vor dem Rathaus sowie dem Eingang zur Hammermühle in Ober-Ramstadt.


Waldenser in Ober-Ramstadt

Der 24. Juni 1699 gilt als Einwanderungsdatum der Waldenser-Glaubensgemeinschaft in die drei landgräflichen Gutshöfe Rohrbach, Wembach und Hahn. Grundlage für die Ansiedlung stellte ein zwischen den waldensischen Kolonisten und dem Landgrafen Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt geschlossener Pachtvertrag dar. Ihnen wurde freie Religionsausübung und der Gebrauch der Muttersprache zugesichert.

Seit 1974 sind Rohrbach, Wembach und Hahn mit Pragelato verschwistert, dem heute italienischen Tal, aus dem die Waldenser stammen. Auf den Friedhöfen in Rohrbach und Wembach bezeugen zudem historische Grabsteine die Geschichte der eingewanderten Familien. Dort kann man sich namenhaft auf die Spuren der Waldenser und ihrer Beerdigungskultur machen. Der sogenannte Waldenserpfad führt von Bad-Homburg über Ober-Ramstadt und endet in Neckarsteinach.

In Rohrbach befindet sich das Waldensermuseum, welches die Kultur der einstigen Glaubensflüchtlinge vermittelt. Betrieben wird das Museum durch die Waldensergemeinde Rohrbach-Wembach-Hahn. Sehenswert sind in den Ortsteilen die Waldenserkirchen in Rohrbach und Wembach sowie ein Denkmal auf dem Marktplatz in Rohrbach. In allen drei Orten finden sich Informations-Stelen mit historischen Ortsplänen.

Weg zur Moderne - Fortschreiten der Industrialisierung

Im 19. Jahrhundert begann der Wandel von der landwirtschaftlich orientierten Gemeinde Ober-Ramstadt zum Industriestandort. Schon 1816 standen den 71 Bauern und 23 in Mühlen tätigen Personen 115 Handwerker und 21 Händler gegenüber. 1832 begründete Wilhelm Heim eine Werkstatt als Kammmacher. Daraus ging 1862 die erste hiesige Fabrik hervor, die Schildpatt und Horn zu Haarschmuck verarbeitete. Das Unternehmen entwickelte sich bis 1900 zur „größten Schildpatt verarbeitenden Fabrik Europas“. Bei der ersten Jugendstil-Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (1901) wurde der Haarschmuck dieser Firma prämiert. Es folgte eine Einladung zu einer Ausstellung in Petersburg. Im Museum Ober-Ramstadt ist die größte deutsche Ausstellung von Haarschmuck aus Schildpatt und Horn zu bewundern.

Die Firma Heim war die Keimzelle für eine große Zahl weiterer Firmengründungen in Ober-Ramstadt und Umgebung, die sich in unterschiedlichen Bereichen der Kunststoffverarbeitung betätigten. Nach dem Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Darmstadt und Erbach erhielt Ober-Ramstadt 1870 einen Bahnanschluss. 1876 wurde ein „Leih- und Sparverein“ gegründet. Diese beiden Einrichtungen beschleunigten die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Kommune.


20. und 21. Jahrhundert

Die Jahre zwischen 1890 und 1910 waren auch für Ober-Ramstadt die eigentliche „Gründerzeit“. In die kommunale Infrastruktur wurde kräftig investiert: 1901 in eine zentrale Wasserversorgung und 1907 in ein kommunales Elektrizitätswerk. Ein Frankfurter Verleger gründete eine Lokalzeitung. Feinmechanische Werkstätten für hochpräzise Messgeräte entstanden ebenso wie zwei Farbenfabriken, von denen eine, die „Deutschen Amphibolinwerke (DAW)“, heute zu den weltweit Großen zählt. Die Möbelfabrik Schröbel vertrieb bereits Anfang der dreißiger Jahre europaweit Küchenmöbel im Stil des „Gelsenkirchener Barocks“.

Im ersten Weltkrieg baute Max Walbinger mit einer Munitionsfabrik einen völlig neuen Industriezweig auf. Nach dem Krieg wurden auf dem Gelände Autos gefertigt, zuerst von der Firma Falcon, dann von Hans Gustav Röhr und seinen Beschäftigten. Die Firma Röhr entwickelte viele Innovationen für den Automobilbau. Auf internationalen Ausstellungen wurde für seine Fahrzeuge geworben mit dem Slogan: „Das sicherste Auto der Welt“.  Nach dem Wechsel des Firmengründers zu Adler in Frankfurt übernahm eine Schweizer Holding den Betrieb.

1929 wird das Rathaus in Ober-Ramstadt gebaut..

1935 fand der Automobilbau aus politischen Gründen ein Ende. Produzierte Fahrzeuge dieser Zeitepoche sind im Museum Ober-Ramstadt ausgestellt - ein besonderer Anziehungspunkt.

Nach dem letzten Krieg weitete sich die Stadt durch den Zuzug der Heimatvertriebenen aus und erhielt in den siebziger Jahren durch die Gebietsreform mit der Eingliederung der Gemeinden Rohrbach, Wembach und Hahn sowie Nieder- und Ober-Modau eine beträchtliche Ausdehnung. Die von der Bevölkerung getragene Verschwisterung mit den Städten und Gemeinden Saint-André-les-Vergers in Frankreich sowie Cogoleto, Pragelato, Vermezzo con Zelo Surrigone in Italien ist praktizierte Völkerverständigung und wird heute noch gelebt. Innerhalb Deutschlands bestehen partnerschaftliche Beziehungen zur Gemeinde Mülsen/Thurm im Landkreis Zwickau (Sachsen).

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wohnten in Ober-Ramstadt ca. 15.500 Personen.